Ein neueres Urteil des Bundesgerichts ermöglicht eine Repetition des schweizerischen internationalen Erwachsenenschutzrechts. Die wesentlichen Aussagen des Urteils sind im Folgenden fett/kursiv hinterlegt.
Dem Urteil Sachverhalt zu Grunde: Die betroffene Person, welche Trisomie 21 aufweist, stammt ursprünglich aus dem Libanon. Dort lebte sie bis 2015. Mit Urteil vom 11. Mai 2015 hat ein Gericht in Beirut die Schwester als «Beiständin» eingesetzt, welche in der Schweiz lebt. Die betroffene Person lebte ab dem 17. Oktober 2015 in der Schweiz bzw. hat hier ihren gewöhnlichen Aufenthalt. Nachdem sich zeigte, dass die Beiständin nicht in der Lage war, die administrativen/finanziellen Angelegenheiten der betroffenen Person zu wahren, errichtete die KESB für die betroffene Person eine umfassende Beistandschaft und setzte neben B (welcher die Personensorge, inkl. medizinischer Belange obliegen sollte) eine Co-Beistandsperson für die restlichen Belange ein.
In der Folge wandte sich die Schwester gegen die umfassende Beistandschaft, mit der Argumentation, es bestehe schon die im Libanon errichtete Beistandschaft und das entsprechende Urteil dürfe gemäss Art. 26 des Haager Erwachsenenschutzübereinkommens (HEsÜ) in der Sache selbst nicht nachgeprüft werden. Das Bundesgericht befasste sich deshalb im Folgenden 1. mit der Frage, ob das libanesische Urteil in der Schweizer anerkannt (d.h. «akzeptiert») werden kann; und bejahendenfalls 2. mit der Frage, ob Art. 26 HEsÜ eine Abänderung dieses Urteils ermöglicht.
Anerkennung des libanesischen Urteils
Für die Frage, ob das libanesische Urteil in der Schweiz anerkannt werden kann, ist das HEsÜ nicht unmittelbar anwendbar, da der Libanon kein Mitgliedsstaat des Übereinkommens ist. In diesem Fall richtet sich die Anerkennung nach Art. 85 IPRG (i.V.m. Art. 25 IPRG).
Dieses sieht zwar in Art. 85 Abs. 2 IPRG zwar vor, dass das HEsÜ unter anderem für die Anerkennung anwendbar sei (als nationales Recht). Allerdings sieht Art. 22 HEsÜ vor, dass das HEsÜ nur die Anerkennung von Urteilen anderer Mitgliedsstaaten regelt.
Das Bundesgericht hat diesen Widerspruch aufgelöst, indem es klargestellt hat, dass sich die Anerkennung eines Urteils eines «Nicht-Mitgliedstaates» des HEsÜ ausschliesslich nach Art. 85 Abs. 4 IPRG richtet. Gemäss dieser Bestimmung werden die Urteile anerkannt, wenn sie im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Erwachsenen (hier: Libanon) ergangen sind oder dort anerkannt werden.
Abänderung des Urteils
Die Schwester berief sich, wie schon dargelegt, darauf, dass Art. 26 HEsÜ keine Abänderung des libanesischen Urteils von 2015 ermögliche. Art. 26 HEsÜ lautet wie folgt: Vorbehaltlich der für die Anwendung der vorstehenden Artikel erforderlichen Überprüfung darf die getroffene Massnahme in der Sache selbst nicht nachgeprüft werden.
Hierzu hielt das Bundesgericht zunächst fest, Art. 26 HEsÜ sei auch gegenüber Nicht-Vertragsstaaten des HEsÜ anwendbar (Wirkung «erga omnes»). Weiter – und entscheidend – hielt das Gericht auch fest, dass die Bestimmung der Abänderung einer im Ausland ergangenen Massnahme nicht entgegenstehe (sondern «nur» der Revision des ursprünglichen ausländischen Urteil).
Für die Abänderung waren die schweizerischen Behörden zuständig, da die betroffenen Person hier ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 5 Abs. 2 HEsÜ).