Tragweite von Privatgutachten

In einem neueren Entscheid hat sich das Bundesgericht mit dem Stellenwert von Privatgutachten beschäftigen müssen. Zunächst hat das Gericht seine Rechtsprechung (BGE 141 III 443) dargelegt, wonach ein Privatgutachten im Zivilprozesse kein Beweismittel darstelle, sondern dem Privatgutachten die Qualität von blossen Parteibehauptungen beizumessen sei. Werde eine Parteibehauptung von der Gegenpartei substanziiert bestritten, so vermögen Parteigutachten als reine Parteibehauptung diese allein nicht zu beweisen. Immerhin vermögen sie allenfalls zusammen mit – durch Beweismittel nachgewiesenen – Indizien den Beweis zu erbringen.

So weit, so unspektakulär. Wesentlicher ist, dass das Gericht auf die Kritik in der Lehre eingegangen ist, wonach diese Rechtsprechung zu praktischen Schwierigkeiten führen könne. Das Bundesgericht nimmt dabei Bezug auf Situationen, in welchen Parteien typischerweise ein Privatgutachten einholen, welches dann durch ein gerichtliches Gutachten „bestätigt“ werden muss. Solche Konstellationen sind auch im Kindes- und Erwachsenenschutz denkbar (im vorliegenden Fall ging es allerdings um eine Streitigkeit über Krankentaggelder). Letztlich hat das Bundesgericht aber verzichtet, eine Änderung der Rechtsprechung betreffend die Tragweite von Privatgutachten vorzunehmen. Es hat aber in Erinnerung gerufen, dass die Revision der ZPO vorsieht, die Urkundenqualität von privaten Gutachten der Parteien ausdrücklich in der ZPO festzuhalten (vgl. Art. 168 Abs. 1 lit. b E-ZPO; Botschaft vom 26. Februar 2020 zur Änderung der Schweizerischen Zivilprozessordnung [Verbesserung der Praxistauglichkeit und der Rechtsdurchsetzung], BBl 2020 S. 2697 ff., S. 2751 f. mit Verweisen auf die Lehre).